Ich weiß ja nicht, wie es dir geht – bei mir hat nichts so schnell den Puls in die Höhe getrieben wie meine miteinander streitenden Kinder.
Ich schreibe “hat getrieben”, weil es mittlerweile anders ist.
Jetzt könnte ich dir erzählen, dass meine Kinder dank meiner elterlichen Kompetenz niemals mehr streiten. Das stimmt aber erstens nicht, zweitens ist so eine Behauptung grundsätzlich sehr verdächtig, weil unrealistisch und drittens wäre so ein Zustand auch gar nicht wünschenswert.
Was mir geholfen hat, Geschwisterstreit besser zu begleiten und was bestimmt auch dir helfen wird, liest du in diesem Artikel
Inhaltsverzeichnis
ToggleGute Gründe, warum du einen besseren Umgang mit dem Streit zwischen deinen Kindern finden solltest
Geschwisterstreit nervt. Das wäre schon ein ausreichender Grund, um sich mit dem Thema zu befassen. Es gibt aber noch mehr gute Gründe, warum du dich um einen guten Umgang damit bemühen solltest:
- Wir neigen dazu, überwiegend die Schuld bei einem Kind zu sehen – aus Erfahrung oder auch persönlichem Getriggert-Sein. Trotzdem entspricht das so gut wie nie der Wahrheit und ist schlecht für das Selbstbild des Kindes.
- Es kann zu einem Teufelskreis kommen: je mehr Druck und Stress ein Kind empfindet in der Familie, je ungerechter es sich behandelt fühlt, desto eher wird es seinen Frust am Geschwisterkind abladen.
- Konfliktlösung ist eine wichtige Fähigkeit für das ganze Leben. Kinder müssen eine konstruktive Streitkultur lernen – und die Familie ist das beste Übungsfeld dafür.
- Familie ist anstrengend genug. Reibt ihr euch auch noch am Geschwisterstreit auf, ist das ein weiterer Energiefresser, an dem man ausbrennen kann.
7 Schritte, um den Geschwisterstreit zu begleiten
Verinnerlicher diese sieben Schritte, um mit dem Streit deiner Kinder besser umgehen zu lernen.
Keine Angst, du musst nicht jedes Mal alle Schritte durchgehen! Es geht hier mal wieder mehr um deine grundsätzliche Haltung als um einen strengen Fahrplan, an den du dich akribisch halten musst.
Schritt 1 – Muss ein Kind geschützt werden?
Verschaffe dir einen kurzen Überblick über die Situation: Muss ein Kind vor körperlichen oder verbalen Angriffen geschützt werden? Drohen Dinge kaputt zu gehen?
Stelle klar, dass Gewalt jeder Art nicht in Ordnung ist und nicht akzeptiert wird. Wenn nötig, nutze deine körperliche Überlegenheit, um die Kinder voneinander zu trennen oder das angreifende Kind zu stoppen. Sei dabei so sanft, wie möglich!
Schritt 2 – Eigene Gefühlslage checken
Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, kurz in dich hineinzuspüren. Rast dein Herz? Fühlst du dich wie ein Vulkan kurz vor dem Ausbruch? Hast du dir vielleicht unwillkürlich schon eine Meinung zum Geschehen gebildet, obwohl du noch gar nicht wirklich weißt, was los ist?
Atme tief durch. Lass Energie ab, indem du meinetwegen die Wand anschreist oder ein Kissen in die Ecke pfefferst. Alles, was nötig ist, damit du dich als nächstes unvoreingenommen deinen Kindern zuwenden kannst.
Schritt 3 – Weg von Recht und Unrecht
Widerstehe der Versuchung, sofort Partei zu ergreifen und den/die Schuldige(n) auszumachen.
➡ Du bist nicht im Gerichtssaal. Es ist nicht deine Aufgabe, zu entscheiden, wer Recht hat und wer nicht!
In den allermeisten Fällen auch überhaupt nicht relevant, wer nun im Recht ist. Es geht ja vielmehr um die individuellen Wünsche und Bedürfnisse der jeweiligen Kinder. Vorsicht vor allem dann, wenn ein Kind vermeintlich immer das Böse ist. Das stimmt nämlich eigentlich nie. Wenn du so eine Voreingenommenheit an dir bemerkst, dann bemühe dich ganz bewusst, offen und neugierig zu bleiben.
Ich verspreche dir: Wenn du diesen Schritt verinnerlicht hast, werden alle zukünftigen Geschwisterstreits nur noch halb so nerven!
Schritt 4 – Alle Kinder anhören und Gefühle ernst nehmen
Hör dir die Sicht von allen Beteiligten an und nimm die Sorgen der Kinder ernst – auch wenn du sie vielleicht nicht nachvollziehen kannst.
Sorge dafür, dass jede*r ausreden darf, ohne dass das andere Kind dazwischenredet. Ermutige deine Kinder (je nach Alter) dazu, in Ich-Botschaften und gewaltfrei zu sprechen. Und vermeide unbedingt selbst Reaktionen wie: „Das ist doch wohl wirklich kein Grund, …“
Du hast hierbei die beste Gelegenheit, um dein Kind beim Kennenlernen seiner eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu unterstützen. Zum Beispiel so: “Hat es dich traurig gemacht, dass du nicht mitspielen durftest? Hast du deswegen das Spielzeug weggenommen?” Achte aber darauf, dem Kind nicht deine Interpretation aufzudrängen!
Oft hilft dieser Schritt schon dabei, den Konflikt beilegen zu können. Die Gewissheit des Kindes: “Ich werde gesehen, meine Nöte werden anerkannt”, reicht oft schon, um sich für Lösungen und Kompromisse öffnen zu können.
Schritt 5 – Du musst keine Lösung parat haben
Oft haben wir Eltern den Drang, den Konflikt sofort zu lösen. Wir wollen am liebsten eine Lösung präsentieren, die die Kinder dann auch bitteschön annehmen und umsetzen sollen.
Leider funktioniert das in der Regel nicht. Und es hilft auch nicht beim Erlernen von Konfliktlösungs-Skills, wenn du jetzt einfach deinen Kompromissvorschlag durchsetzt.
Es kann sehr erleichternd sein zu akzeptieren, dass du keine Lösung haben musst.
Schritt 6 – Gemeinsame Lösung erarbeiten, wenn möglich
Überlegt stattdessen gemeinsam, wie ein Kompromiss oder eine Lösung aussehen könnte. Lass je nach Alter ruhig auch die Kinder die Vorschläge machen.
Achte darauf, dass jeder Vorschlag gehört wird.
Schritt 7 – Sind vielleicht Grundbedürfnisse unbefriedigt?
Bleiben trotz größter Bemühungen alle unzufrieden und ihr kommt einer Lösung oder einem Kompromiss keinen Schritt näher?
Kann es vielleicht sein, dass etwas ganz anderes dahinter steckt? Hunger oder Müdigkeit zum Beispiel?
Unbefriedigte Grundbedürfnisse sorgen bei Kindern (bei Erwachsenen übrigens genauso 😉) dazu, dass die Kompromissbereitschaft gegen Null geht. Dann werdet ihr auch mit größter Geduld sehr wahrscheinlich keine zufriedenstellende Lösung für den Konflikt finden. In diesem Fall müssen erstmal die Grundbedürfnisse erfüllt werden.
Und wenn gar nichts hilft?
Auch das darf sein. Manchmal gibt es keine gute Lösung. Manchmal bleibt eine*r unzufrieden zurück.
Manchmal müssen wir Eltern tatsächlich auch ein “Machtwort” sprechen, um die Situation aufzulösen. Das ist okay, so lange es nicht immer das gleiche Kind ist, das zurückstecken muss.
Du kannst dabei ruhig kommunizieren, dass du die Ungerechtigkeit der Situation anerkennst: “Ich weiß gerade keine andere Lösung und entscheide jetzt xy. Es tut mir leid, dass sich das für dich gemein anfühlt. Beim nächsten Mal versuche ich, deinen Wunsch zu berücksichtigen.”
Und jetzt: üben!
Mit diesen Schritten bist du gut gewappnet für die Herausforderung Geschwisterstreit. Und bitte keine Schuldgefühle, wenn du das nicht sofort alles umsetzen kannst – das darf auch für dich ein Lernprozess sein! Besonders Schritt 2 kann sehr herausfordernd sein. Diesen Schritt kannst du übrigens auch im Nachhinein in einer ruhigen Minute noch machen und kennst dich dann beim nächsten Streit schon ein bisschen besser.
Ich bin gespannt, ob dir die Schritte helfen! Schreib mir gern einen Kommentar oder eine Email!